Besser vorbeugen statt abwarten

Höhere Anlageleistung dank digitalen Innovationen

Daten über die Performance sowie die Auslastung von Lagerelementen in nützliche Informationen umwandeln: Mit diesem Konzept kann für minimierte Stillstandzeiten gesorgt werden. Im Mittelpunkt steht, für die kommenden Logistikaufgaben mit den vorhandenen Maschinen, Robotern und Anlagen in Echtzeit den situativ optimalen und störungsfreien Materialfluss abzuleiten.

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Heute schon mit großer Gewissheit voraussagen zu können, was morgen passiert: das liegt von Natur aus im Interesse jedes Lagerbetreibers. Der steigende Wettbewerbsdruck, die zunehmende Produktvielfalt sowie der Trend hin zu immer kleiner werdenden Bestellaufträgen verstärken den Wunsch nach verbesserter Prognosegenauigkeit. Denn jede dieser Entwicklungen trägt dazu bei, dass sich die Optimierung von Wertschöpfungsketten zunehmend komplexer gestaltet. Softwarelösungen, die sich anbahnende Störungen innerhalb der Logistikanlage proaktiv aufdecken und gegen unerwartete Stillstandzeiten vorbeugen, werden für Lagerbetreiber daher zu immer wichtigeren Planungsinstrumenten.

Swisslog, Spezialist für Lagerautomatisierung, hat es sich deshalb zur Kernaufgabe gemacht, auf der Roadmap für die Umsetzung smarter Lösungen für die Lagerlogistik als Vordenker und Wegweiser zu agieren. Im Mittelpunkt der Überlegungen steht das Konzept, für die anstehenden Logistikaufgaben mit den vorhandenen Maschinen, Robotern und Anlagen in Echtzeit den situativ optimalen und störungsfreien Materialfluss abzuleiten. Modernste Sensorik, Datenerhebungsmethoden und Optimierungsalgorithmen, basierend auf Big-Data-Analysen, bilden die Eckpfeiler für intelligente und vorausschauende Services, die mehr Transparenz in die Lagerabläufe bringen. „Data Scientists, Robotik- und IT-Experten bedienen sich zunehmend aber auch der Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz (KI), um Intralogistiksystemen nach und nach auch die Fähigkeit des selbstständigen Lernens und Weiterentwickelns zu vermitteln. Das Learning Warehouse ist längst nicht mehr nur eine Vision. Im Konzept von Swisslog ist es der nächste konsequente Schritt, um der Verwirklichung eines durch die Erfahrungen der Systemkomponenten optimierten Warenflusses näher zu kommen“, sagt Dr. Christian Baur, CEO der Swisslog Division Logistics Automation.

Ausgangspunkt dafür, den Lagerbetrieb mit den heute verfügbaren Mitteln effizienter zu gestalten, ist die Aufzeichnung, Analyse und Interpretation von Daten. Verschiedenste Optimierungsalgorithmen bieten die Chance, große Datenmengen (Big Data) in nützliche Informationen (Smart Data) umzuwandeln. Swisslog bietet diesen Service rund um seine Software-Plattform „SynQ“, deren Name als Synonym für synchronisierte Intelligenz steht. „Die für die Datenanalyse entscheidenden Echtzeitinformationen werden durch ein Tool für die 3D-Visualisierung des Lagers dargestellt. So wird es möglich, den gesamten Betrieb einer Logistikanlage in Echtzeit zu simulieren und ein originalgetreues digitales Abbild (‚Digital Shadow‘) der realen Prozesse zu schaffen“, erklärt Baur.

Das „SynQ-Cockpit“, die permanente Anlagenüberwachung (Condition Monitoring) sowie die intelligente Verfügbarkeitskalkulation (Availability Manager) gehören heute schon zu der stetig wachsenden Anzahl von „Business Intelligence Tools“, die helfen, die Leistung im Lager kontinuierlich zu optimieren. Sie setzen an der Performance sowie der Auslastung der Lagerelemente und Materialflusssysteme an, und sorgen dafür, den Materialfluss insgesamt störungsresistenter und transparenter zu machen.

Erste Testanwendungen mit der Brille „Microsoft Holosens“

Durch die Integration neuer Augmented-Reality-Technologien setzt Swisslog gleichzeitig auch an der Optimierung der Wartungs- und Instandhaltungsprozesse im Lager selbst an. Es laufen bereits erste Testanwendungen mit der Mixed-Reality-Brille „Microsoft Hololens“, die an die Mitarbeiter des zentralen Servicezentrums von Swisslog via Skype Echtzeitansichten von Sensoren und Antriebselementen übermittelt. Kompetenter Support durch erfahrene Service-Techniker ist somit nicht erst nach Stunden, sondern im Idealfall schon wenige Minuten nach Eintritt eines unerwarteten Anlagenstillstands möglich. Das „SynQ“-Plugin „Condition Monitoring“ folgt der Idee, den Zustand einer Anlage samt aller eingesetzten Elemente durch Messungen und Analyse von Prozessdaten oder physikalischen Größen stetig zu überwachen. Es bietet die Möglichkeit, Veränderungen an den Anlagekomponenten infolge von Verschleiß, Überbeanspruchung und anderen möglichen Ursachen frühzeitig zu erkennen und zu beheben – und das im Idealfall bereits im Anfangsstadium ihrer Entstehung. Das Business-Intelligence-Tool ist bereits seit Ende 2015 beim Arzneimittelhersteller Hoffmann La Roche am Standort Kaiseraugst im Einsatz. Dabei werden alle für den Materialfluss im Lager relevanten Daten erhoben und in Kennzahlen (KPI) überführt, um für vollständige Transparenz zu sorgen.

Für die Datenanalyse hat Swisslog eine Reihe von Kennzahlen definiert, die sich in zwei Kategorien unterteilen: In Kennzahlen zu Durchsatz und Fehlerstatistiken (Prozessdaten), die ohne spezielle Sensorik gemessen werden können, und maschinenbezogene KPI, die auf Sensorwerten der Anlagen und ihrer Elemente basieren. Für beide Kategorien bietet die Condition-Monitoring-Pilotanlage in Kaiseraugst entsprechend vordefinierte Heatmaps und Dashboard-Visualisierungen. Unter die erste Kategorie fallen Messdaten wie

  • die totale Stillstandzeit jedes einzelnen Elements im Lager
  • der Zeitraum zwischen der Identifikation eines Fehlers und dem Moment, in dem ein identifizierter Fehler systemseitig behoben ist („Mean Time To Repair“)
  • die „Top-10-Fehlerstatistik“
  • die „Durchsatzleistung an einer bestimmten Lagerkomponente“
  • die „Ausfallzeit einer bestimmten Lagerkomponente“
  • die „Gesamtheit aller störungsbedingten Anlagenausfälle“
  • die „Gesamtzahl der Fehlerereignisse pro Lagerkomponente“
  • sowie die „Mittlere Zeit zwischen Fehlern“.

Diese Kennzahlen liefern einen lückenlosen Gesamtüberblick über alle verfügbarkeitsrelevanten Daten und bilden die Basis für verlässliche Tages-, Wochen- und Monatsanalysen. In den wöchentlichen Review-Meetings geben sie den Logistikverantwortlichen von Roche verlässliche Informationen, an welchen Stellen sich Optimierungspotenziale für den gesamten Materialfluss und störungsfreien Betrieb der Anlage ergeben.

Unter die zweite Kategorie fallen in der Regel physikalische Größen der einzelnen mechanischen Elemente oder Gewerke. In diesem Bereich werden unterschiedliche Messwerte als Indikatoren genutzt. Zum Beispiel die von den Förderern gelieferten Messwerte für die Leistungsaufnahme, die Temperaturentwicklung oder den Motorenbetrieb. Aber auch die detaillierten Bewegungsdaten, die von den Regalbediengeräten im Hochregallager über Sensoren aufgezeichnet werden, sowie der Stromverbrauch als Indikator für das Drehmoment und den Zustand der entsprechenden Antriebswelle. Durch den permanenten Abgleich dieser Messwerte mit vordefinierten Schwellenwerten lassen sich aus den gewonnen Informationen zum Beispiel störungsanfällige, neuralgische Elemente identifizieren sowie Rückschlüsse auf die Fehleranfälligkeit einzelner Lagerelemente ziehen.

Das Condition-Monitoring-Tool ist nicht nur darauf spezialisiert, Fehler- und Durchsatztrends zu ermitteln. „Es sorgt dafür, dass die Logistikanlage über ihre gesamte Lebensdauer hinweg mit maximaler Effizienz betrieben werden kann“, erklärt Baur. „Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen werden durch das Condition Monitoring proaktiv statt reaktiv möglich. Dies führt zu einer Kostenreduktion des Anlagenbetriebs, da die Lebensdauer kritischer Elemente praktisch vollständig ausgenutzt werden kann.“

App für die intelligente Verfügbarkeitskalkulation

Die „SynQ“-App „Availability Manager“ richtet den Fokus auf die Gesamtheit des operativ betriebenen Materialflusssystems. Das Business-Intelligence-Tool gibt Aufschluss darüber, ob eine Logistikanlage den durch die Geschäftsprozesse definierten Ansprüchen an die Verfügbarkeit tatsächlich genügt. Neben der Identifikation von kritischen Elementen und somit potenziellen Bottlenecks macht die Software sichtbar, wie veränderte Rahmenbedingungen die Verfügbarkeitsentwicklung des Lagers beeinflussen. Der „Availability Manager“ ermöglicht die vorausschauende Verfügbarkeitskalkulation nicht jedoch erst im operativen Betrieb von Logistikanlagen. Es bietet sich an, das Software-Tool bereits im Rahmen der Anlagenplanung oder für bevorstehende Maßnahmen zur Anlagenskalierung zu Simulationszwecken einzusetzen. Durch die automatisierte Echtzeit-Aufzeichnung aller auftretenden Fehlerereignisse wird der Weg geebnet, bei sich anbahnenden Störungen oder Engpasssituationen umgehend die für den optimalen Anlagenbetrieb erforderlichen Maßnahmen anzustoßen.

Im Konzept des „Smart Warehouse“ optimieren sich die Materialflüsse zunehmend aufgrund von datenbasierten Erfahrungswerten. Christian Baur erklärt: „Im Konzept des Learning Warehouse von morgen rücken Softwaresysteme immer mehr in die Rolle der Entscheidungsträger. Sie kontrollieren und optimieren den operativen Betrieb und übernehmen selbst die Regie bei der Planung von Wartungs- und Instandhaltungseinsätzen. Swisslog versteht sich mit seinem stetig wachsenden Software-Portfolio als Wegbereiter, um zukunftsweisende und proaktive Servicekonzepte für die Lagerlogistik umzusetzen.“

Autor: H. Lüthi

Redaktion (allg.)

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