Keine Innovation direkt am Stapler

Warum auch Lösungen und Komponenten den Ifoy gewinnen können – ein Erklärungsversuch

Am ersten Cemat-Messeabend wird es wieder jubelnde und enttäuschte Ifoy-Aspiranten geben. Zuvor mussten sich alle Finalisten einem Härtetest von Ifoy-Jury und Expertenteam stellen. Der Lohn: Das Ifoy-Siegel „Best in Intralogistics“ – für den Fall, dass es mit dem Award im April nichts wird. Hebezeuge Fördermittel war bei den Testtagen im Februar dabei und gibt Ein- und Rückblicke sowie Einschätzungen über eine Preisvergabe, die anfangs nur Stapler betraf.

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Es ist kalt. Und das ist nichts Ungewöhnliches hier in Halle 13 auf dem Gelände der Deutschen Messe in Hannover. Schließlich ist es Februar, gerade keine Messe und die Hallen sind nicht beheizt. Das ist genau die Gelegenheit, (in diesem Falle) zwölf der für den Ifoy-Award nominierten – nun gut, Fahrzeuge allein reicht heute nicht mehr – Geräte, Komponenten und Lösungen ausgiebig zu testen.

Doch wieso Lösungen und Komponenten auf einem Stapler-Award? Hierüber gibt eine Ifoy-Notiz aus dem August vergangenen Jahres Aufschluss. Dort heißt es: „Bereits seit drei Jahren können nicht nur Staplerhersteller, sondern alle Intralogistikanbieter ihre Neuheiten beim Ifoy-Award an den Start schicken.“ Insofern gebaren die Ifoy-Macher den „International Intralogistics and Forklift Truck of the Year“ Award (nicht: „Iifoy“, nein nach wie vor kurz: „Ifoy“ genannt).

Verschiedene, teils erhebliche Diskussionen in der Branche

Das Ganze lohnt tatsächlich einen Blick zurück. Seit nunmehr fünf Jahren (Gratulation zum kleinen runden Geburtstag!) sorgt der Ifoy nicht nur für jubelnde und enttäuschte Aspiranten auf den Award, sondern auch für verschiedene, teils erhebliche Diskussionen innerhalb der Branche. Einst als Preisverleihung für innovative Gabelstapler vom VDMA Fachverband Fördertechnik und Logistiksysteme (wie er damals hieß) geboren, wurde schnell klar, dass das Kaprizieren nur auf Flurförderzeuge weder vorausschauend war noch der Lebenswirklichkeit der Branche entsprach.

Bereits im Jahr 2014 gewann mit Pick Remote von Crown nicht wirklich ein Fahrzeug den begehrten Preis, sondern eben eine innovative Kommissionier-Technologie mit einer intuitiven Fernbedienung. Oder das „Toyota I_Site“ – eine Kombination aus Technologie, Informationen, fachlicher Kompetenz und Beratung, wie es in der Jury-Beurteilung heißt. Das System unterstütze Anwender in der Praxis, den Einsatz der gesamten Flotte mithilfe des benutzerfreundlichen und leicht zugänglichen Web-Portals besser zu überblicken – keine Innovation direkt am Stapler.

Angedrohte, vollzogene und nicht notwendige Rückzüge

Aber erst im Jahr 2017 kam so langsam „Drive“ in den Award – auch nach vollzogenen (Toyota MH), angedrohten (Jungheinrich) und gar nicht erst notwendigen, da nie teilgenommen, Rückzügen (Linde MH) aus dem Ifoy. Von den bisher (inklusive 2017) vergebenen insgesamt 22 Awards gingen mehr als die Hälfte (13) nach Hamburg. Im Wettstreit zwischen Still und Jungheinrich führen zur Zeit die „Gelben“ mit sieben zu sechs – was in der Tat keinen Schluss zulässt, außer, dass die Innovationen der Branche offenkundig aus dem Norden kommen.

Aber mit dem Sieg von „Torsten“ (Torwegge) erklomm zum ersten Mal in der Ifoy-Geschichte auch ein (sorry!) No-Name (im Vergleich zu den bisherigen Nominierten und Siegern) das Podest. Bei „Torsten“ handelt es sich um ein modulares Unterfahr-FTS, das durch unterschiedliche Plattformen den Transport gängiger industrieller Ladungsträger sowie von Einzelbauteilen mit einem Gewicht bis zu sieben Tonnen ermöglicht. In der Begründung der Ifoy-Jury heißt es weiter: „Dabei navigiert ‚Torsten‘ autonom im Raum und plant seine Routen selbstständig.“

Jury und Expertenteam: Härtetest in Hannover durchgeführt

Nun gut, wir schreiben das Jahr 2018 und kehren zurück zum Härtetest in Hannover – durchgeführt von Ifoy-Jury und Expertenteam in besagter Halle 13. Wir wollten zunächst aber hergeleitet haben, weshalb beispielsweise Witron mit einer bei seinem Kunden Migros eingesetzten ganzheitlichen Omni-Channel-Lösung – die unterschiedlichen Vertriebskanäle (Filial-, Kleinmengen-, Wholesale-Logistik) sowie verschiedenste Produktgruppen (Trocken, Frische, Temperaturgeführt) sind in einem integrierten mechanisierten System „end-to-end“ vereint – nicht nur für den Ifoy angetreten ist, sondern auch nominiert wurde.

Der Konkurrent in dieser neuen Kategorie („Integrated Warehouse Solutions“) heißt Jungheinrich und präsentierte sich während der Testtage in Hannover mit einer, wie es heißt, Live-Zentrallager-Erweiterung bei Keller & Kalmbach. Die Herausforderung hierbei sei gewesen, Erweiterungen an das bestehende System nahtlos anzubinden und dies im laufenden Betrieb ohne Unterbrechungen zu realisieren.

In der Kategorie „Special of the Year“ wurden drei Produkte den Juroren aus nunmehr 18 Ländern zum Vergleich und zur Bewertung angeboten: das Batterieladesystem SLH 300 von Jungheinrich, ein speziell entwickelter Fachboden (Multiplus) von Gebr. Schulte und das Easy Drive von Still – ein Mensch-Maschine-Interface für Horizontal-Kommissionierer.

Bereits Ärger an der einen oder anderen Stelle

Nun mag man einwenden, dass alles ließe sich schlecht miteinander vergleichen – was bereits bei ähnlicheren Produkten (wie zum Beispiel Gabelstapler einer gewissen Gruppierung) früher schon an der einen oder anderen Stelle für Ärger sorgte. Allein, und das ist in diesem Zusammenhang in der Tat wichtig, es geht den Machern des Ifoy nicht um den direkten Vergleich der Produkte untereinander, sondern darum, welche eingereichte Lösung in ihrem Segment den höheren Innovationsgrad zu den im Markt bereits vorhandenen State-of-the-Art-Produkten besitzt. Verstanden?

Nun gut, jetzt wird es etwas einfacher: Es folgt die Kategorie „Warehouse Truck“. Hier bewirbt sich der Wegard Trail, ein modularer Routenzug des jungen Oberingenieurs an der Universität der Bundeswehr in Hamburg und Geschäftsführers der Wegard GmbH, Dr. Stephan Ulrich, um den Award. Das Besondere am Wegard Trail ist, laut Bewerbung, dass es sich hierbei „um den ersten Routenzug handelt, der autonom elektronisch gelenkte Achsen verwendet, die für beste Spurtreue bei allen Fahrmanövern sorgen“.

Da die Achsen vollkommen autark seien und keinerlei Lenkinformation von den weiteren Anhängern benötigten, könnten die Anhänger frei und ohne jegliche Einschränkungen gestaltet werden. Erstmals seien zudem Fahrmanöver, wie seitwärts Einparken, Rangieren und Rückwärtsfahren, mit einem Routenzugsystem möglich, wodurch die Grundlage für die weitere Automatisierung von Routenzugsystemen gelegt worden sei.

Starke Konkurrenz aus dem Norden Deutschlands

Der Wegard Trail tritt an gegen starke Konkurrenz aus dem Norden Deutschlands. Da wäre zum einen ein Horizontal-Kommissionierer aus dem Hause Jungheinrich, ausgestattet mit einer Remote-Bedienoption namens Easy-Pilot Follow. Das Fahrzeug, so heißt es, verbindet sich per NFC-Schnittstelle mit der Control Bar des Bedieners und – nomen est omen – folgt dieser automatisch bei Vorwärtsbewegung. Sobald der Bediener stehen bleibt, stoppt das Fahrzeug ebenfalls automatisch. Der Vorteil: Der Bediener hat beide Hände zum Kommissionieren frei und muss sich im Grunde um das Fahrzeug nicht mehr kümmern.

Zweiter Konkurrent ist der OPX-L 16 von Still. Das, wie es heißt, Flaggschiff der neuen Kommissionier-Baureihe OPX zeichne sich insbesondere durch ermüdungsfreies Arbeiten ob „ausgeklügelter ergonomischer Verbesserungen“ aus. Eine zentrale Innovation sei das Still Easy Drive: ein neu entwickeltes, ergonomisches, optional höhenverstellbares Lenkrad mit integriertem Display.

Nummer drei im Bunde ist, hoppla, schon wieder Jungheinrich. Und zwar mit seinem neuen Elektro-Sitzschlepper EZS 7280. Dieser sei „ideal geeignet für den Transport schwerer Lasten auf dem Flughafenvorfeld oder großen Industriegeländen“. Mit einer maximierten Zugfähigkeit von 28 Tonnen im Zusammenspiel mit dem starken Drehmoment und der optimalen Bremsleistung ermögliche das Fahrzeug, laut Bewerbung, dem Kunden, schwere Güter effizienter, sicherer und komfortabler zu transportieren.

Dass der bei den Ifoy-Testtagen mit einer Lithium-Ionen-Batterie ausgestattete Schlepper ausgerechnet bei der Testfahrt der Redaktion „Hebezeuge Fördermittel“ ob einer fast leerenBatterie quasi „in die Eisen ging“ und damit, wenn auch ganz langsam (in solchen Fällen schaltet das Fahrzeug automatisch auf Schleichfahrt, damit der Fahrer dieses tatsächlich noch zu einer Ladestation bringen kann), zum Ausgangspunkt zurückkehrte, bleibt eine Randnotiz – und floss auch nicht in die abschließende Bewertung ein.

China gegen Deutschland: Beispielhaft für Marktentwicklung

Kommen wir also zu der Kategorie, mit der vor fünf Jahren alles anfing: „Counter Balanced Trucks“. Hier tritt beim diesjährigen Wettbewerb – exemplarisch für die weltweite Entwicklung (nicht nur) im Flurförderzeugmarkt – China gegen Deutschland an. BYD, Experte im Bereich Lithium-Ionen-Technologie, hatte seinen ECB50C in Hannover mit dabei. Bei dem Gerät handelt es sich gewissermaßen um den großen Bruder des ECB18C – dem Ifoy-Gewinner aus dem vergangenen Jahr.

Das nominierte Fahrzeug ist, nun gut, nicht für den Design-Preis ins Rennen geschickt worden, sondern weil es, so steht es in der Bewerbung, „die einzige elektrische Maschine der Welt (ist), die Diesel- und Gasmodelle für den Außeneinsatz ersetzen kann“ – und liefert damit, ob gewollt oder nicht, einen Beitrag zur aktuellen Dieseldiskussion in Deutschland.

Die 80 V/810 Ah „LiFePo-Batterien“, wie es bei BYC heißt, ermöglichen nach Angaben des Unternehmens einen sechsstündigen Dauerbetrieb (70 % VDI). Mit dem, wie es weiter heißt, schnellsten Ladegerät auf dem Markt (80 V/300 A) lasse sich der 80 V/810 Ah-Akku in nur drei Stunden vollständig aufladen.

Demgegenüber steht das Fahrzeug von Still – der eben erst vorgestellte RX 20 (siehe Hebezeuge Fördermittel 3/2018). Hierbei han-delt es sich um eine, wie es heißt, energieeffiziente Baureihe mit höchster Reichweite, kompakt und leistungsfähig, für Tragfähigkeiten von 1,4 bis 2,0 Tonnen. Nach Angaben von Still ist es die erste Baureihe im Premium-Segment, die Batterien der Schaltung A und B nutzen kann. Das mache das Fahrzeug bei vorhandenen Batteriepools sehr flexibel und könne die Anzahl der benötigten Batterien verringern.

Begehrter Intralogistikpreis nun auch für Mobilbaukrane

Interessant beim diesjährigen Ifoy-Award ist die Möglichkeit, dass auch Mobilbaukrane den begehrten Intralogistikpreis erhalten können. In diesem Jahr ist es, soweit dürfen wir uns schon aus dem Fenster lehnen, der MK 140 von Liebherr. Die recht stimmige Prognose unsererseits, dass der MK 140 einen Award erhält, hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass der zweite Mitbewerber sich trotz erfolgreicher Nominierung aus dem Rennen um den Ifoy-Award zurückgezogen hat.

Bei dem nominierten Kran handelt es sich um ein kompaktes 5-Achs-Modell, das, so steht es in der Bewerbung, durch enorme Reichweiten und Traglasten bei kompakten Abmessungen überzeuge. Mit dem Vario Jib (einer Kombination aus zwei Kransystemen) vereine der MK 140 Katzmodus und Wippmodus in einem Kranmodell. Die erreichbaren Hubhöhen bis 94 Meter und Ausladungen bis 65 Meter unterstreichen laut Liebherr dessen hohe Flexibilität und setzten neue Standards im Segment der Mobilbaukrane. Möglich wurde diese Nominierung (und mithin die Prämierung) durch die Einführung einer neuen Kategorie beim „International Intralogistics and Forklift Truck“ Award: „Kran und Hebezeug“ oder auf Englisch, da alle anderen Kategorien auch nur einsprachig verfügbar sind: „Crane and Lifting Appliance“.

Ja, da staunten Jury und Expertenteam, als während der Testtage im Februar der Mobilbaukran MK 140 nur im Freien inspiziert werden konnte. Und obwohl der Bezug zur Intralogistik noch immer diskutiert wird, wurde doch den meisten technisch versierten Testern bei der Demonstration des Mobilbaukrans regelrecht warm ums Herz. Trotz der Kälte in Hannover.

Jan Kaulfuhs-Berger

Autor: J. Kaulfuhs-Berger

Redaktion (allg.)

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